03 honegger philatelie Wissenswertes

Etwas Licht ins Dunkel der Büroner Rayon-Halbierungen

Zum Titelbild des 1998er Katalogs , Los Nr. 424

Möglicherweise sind Ihnen in den letzten Jahren und Jahrzehnten Briefe von Büron (damals auch noch verwendete Schreibweise im Rundstempel: «Büren») aufgefallen, die fast ausnahmslos alle mit einer ganzen und einer anhängenden halben Rayon II (und allenfalls einer Zusatzfrankatur) versehen waren. Typisches Merkmal dieser Halbierungen: alle sind senkrecht halbiert und bei vielen davon kann man mittels des Briefposttarifes die angewandte Taxe einfach nicht zufriedenstellend erklären. Der Eindruck der Briefe ist zwar gut und es ist beim besten Willen keine Verfälschung zu vermuten oder gar nachzuweisen. Aber eben: man kann das Porto vielfach nicht erklären. Auch die diesbezüglichen Versuche in den Attesten (soweit man überhaupt auf die Zusammensetzung des Portos eingegangen ist) vermag oft nicht zu befriedigen. Mir ging es deshalb mit dem einen oder andern dieser Briefe so wie wahrscheinlich vielen andern Interessenten auch: weil «irgend etwas nicht ganz klar» war, habe ich auf einen Ankauf verzichtet.
Mit dem Auftauchen des Archives der Firma Zünd aber (siehe dazu unser diesjähriges Titelbild!) ergab sich eine ganz andere Sachlage. Hier konnte man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass hier niemand irgend etwas an diesen Briefen gemacht hatte. Mit andern Worten: die Frankaturen waren also sicher original - nur musste man noch die Erklärungen suchen, warum man zu diesen gekommen war damals.

In der Person von Paul Arnold aus Sempach habe ich dann einen überaus interessierten und auch gut dokumentierten Sammler gefunden, der als Heimatsammler dieses Gebietes dazu nicht nur umfangreiche Studien angestellt hat, sondern mir diese bereitwilligst auch zur Verfügung stellte. Ich gehe davon aus, dass mein Dank an ihn hier jenen zahlloser Alt-Schweiz-Sammler mit einschliesst. Überhaupt liegt in meinen Augen der ganz grosse Vorteil der Heimatsammlungen darin, dass dabei ein bestimmtes Sammelgebiet ausserordentlich gründlich erforscht und dokumentiert wird. Die relative Enge des Interessengebietes erlaubt eine grosse Vertiefung der Studien und ein viel umfangreicheres Quellenmaterial wird dabei in der Regel bearbeitet, als es für einen Prüfer oder gar einen Händler (deren Gebiete ja viel weiter gefasst sind) überhaupt möglich wäre. Dieser Artikel soll nicht zuletzt Sammler aus andern Gebieten ermuntern, diese andern Sammelgebiete ebenso intensiv zu erforschen. Dies wird uns Philatelisten gesamthaft sehr viel weiter bringen, als wenn jeder bloss eine reine Katalogsammlung anlegt. Mit Anregungen, welche Regionen derzeit sammlungs- oder forschungsmässig etwas brach liegen und damit sich für einen solchen Sammlungs-Neubeginn geradezu empfehlen würden, diene ich sehr gerne!

Einige Erkenntnisse aus den Forschungen von P. Arnold nun, die von allgemeinem Interesse sein mögen:
Personelles: In jenen Jahren war J. Stocker Posthalter in Büron. Von Beruf war er aber Fürsprech (Rechtsanwalt) und Notar und ständig unter Arbeitsdruck. Es ist möglich, dass ihm aus diesem Grunde einige Frankierungsfehler unterlaufen sind. Nachweisen kann man aber anhand zahlreicher Belege, dass er den Betriebsablauf zu «rationalisieren» versuchte, indem er z.B. die Marken teilweise zum voraus schon aus dem Bogen schnitt. Mit Sicherheit wurden die ganze und die anhängende halbe Rayon II von ihm vorgeschnitten (wohl über die ganze Bogenhöhe).
Das Amt des Gemeindeammannes und Botenweibels beinhaltete im Kanton Luzern eine Doppelfunktion. Nebst jener als Gemeindeammann lag in den Händen des Botenweibels das Betreibungs- und Konkurswesen. Das Amt wurde in jener Zeit in Büron von J. Meyer .
Briefe mit Gebührenbeilagen für ein Begehren auf Einleitung eines Konkurses oder einer Betreibung (also an einen Botenweibel) waren mit der Fahrpost zu spedieren. Bei solchen des Botenweibels an die Schuldner oder Gläubiger wurden die Amtsgebühren mittels Nachnahme erhoben. Solche Briefe unterlagen an sich der normalen Briefpost. Nicht so aber offenbar im Kanton Luzern, wo auch solche Briefe mit der Fahrposttaxe belegt worden sind. Dies legalisiert eine Instruktion der Schweiz. Postverwaltung vom 7.6.1862 (§ 6).
Die Gebühren der Brief- und der Fahrpost varierten teilweise voneinander. Gelegentlich waren die Briefposttaxen etwas niedriger (5 Rp.), meist aber Fahrpostgebühren (5, resp. 10 Rp.).
Dies scheint nun zu einer eigentlichen Überhäufung der Fahrpost geführt zu haben. Jedenfalls bestimmte dann eine Verfügung vom 16.5.1866, dass beide obigen Arten von Briefen in Sachen Konkurs und Betreibungen nur noch mit der normalen Briefpost befördert werden sollen (mit gewissen Einschränkungen). Deshalb endet die Periode der Fahrpostgebühren bei diesen Briefen mit dem 16.5.1866.

Beachten Sie das Los 424 in unserem Katalog, das einen schönen Einblick in diese eigenwillige Besonderheit der «Büroner-Halbierungen» gibt und für eine Heimatsammlung des Kantons Luzern ohnehin, aber ohne weiteres natürlich auch für eine normale Alt-Schweiz-Sammlung eine kleine Kostbarkeit erster Güte darstellen dürfte.

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