Aus terminlichen Gründen erfolgt dieser kurze Rück-und Ausblick einen Monat früher als sonst üblich. Das führt zu ganz anderen Gegebenheiten: die üblichen und nicht ganz unbedeutenden Jahresendverkäufe sind jetzt natürlich noch nicht erfolgt und deshalb sind die bisher vorliegenden Zahlen nicht mit jenen der früheren Jahre vergleichbar. Allerdings kann man sicher eines festhalten: in diesem Jahre haben die ausserordentlich hohen Verluste an den Aktienbörsen auch auf den Bereich der Philatelie durchgeschlagen, genauso, wie in den anlageverwandten Bereichen der Kunst. Allerdings - und dies ist doch überaus erfreulich festzuhalten! - in einem sehr viel geringeren Ausmass als in den Aktienbörsen.
2000/2001 hatten wir nach dem unglaublichen Boom an den "Neuen Märkten". Unwahrscheinlich hohen Gewinnen folgten noch grössere Verluste. Aber eben, in den "neuen" Aktien der Technologiewerte, die hoch spekulativ waren und wo man selber wissen musste, ob man sich dort engagieren wollte oder besser doch nicht. In diesem Jahre nun aber sind auch die Werte der Blue Chips, der konservativen, besten, um nicht zu sagen "mündelsicheren" Werte teilweise unglaublich "unter die Räder gekommen", sodass es heute kaum noch einen Aktienanleger zu geben scheint, der jetzt nicht wundenleckend den rosigen Zeiten der früheren Jahre nachtrauert.
Da bei uns wie gesagt der neue Katalog jetzt in Bearbeitung ist und die Lose erst ab Anfang Dezember dann für den Verkauf zur Verfügung stehen werden, ist das letzte Quartal wie ausgeführt noch nicht voll überblickbar. Dazu kann also letztlich noch nichts ausgesagt werden. Aber es scheint mir denkbar zu sein, dass es jetzt etliche Leute gibt, die zwar gerne ein paar Lücken in der Sammlung schliessen würden, denen aber in der momenta-nen Situation ganz einfach die Mittel dazu fehlen. Diese müssen erst wieder erarbeitet werden. Ein Negativpunkt orte ich ganz klar auch in der Konsumentenstimmung, die nicht sehr gut aussieht. Die Leute haben aus der Wirtschaft dermassen viele schlechte Nachrichten vernommen und widerliche Beispiele schlechten Managerverhaltens miterlebt, dass es weiter keineswegs verwunderlich ist, wenn die Angst um den eigenen Arbeitsplatz oder vor der Zukunft ganz allgemein jetzt wieder im Vorder-grund steht. Normalerweise sind das immer Zeiten, in welchen alle Konsumbranchen Rückgänge verzeichnen. Es wäre doch sehr verwunder-lich, wenn wir in der Philatelie dies anders vermelden könnten!
Auf der andern Seite gibt es in meinen Augen durchaus auch positive Punkte in der Zukunftsbeurteilung, denen wir uns jetzt auch noch zuwen-den wollen - vor allem in einer schwierigen Zeit wie der jetzigen, wo ein kühler Kopf für diese Beurteilung sicherlich erforderlich ist.
- Auch in diesem recht schwierigen Marktumfeld dieses Jahres mit Liquidationen von ganzen Firmen und ganzen "erstklassigen" Porte-feuilles zu reinen Ausverkaufspreisen (Ebner-Anteile!) hat es in der Philatelie überhaupt keine Ausverkäufe gegeben. Weder sind nam-hafte Bestände "verramscht" worden, noch sind sie überhaupt auf den Markt gekommen! In einer rezessiven Phase der Philatelie wäre genau dies der Fall gewesen: dann hätten all zu viele Leute sich von solch "unnötigen" Anlagen sozusagen um jeden Preis (wie an den Aktienmärkten!) trennen wollen und wir hätten einen Zusammen-bruch der Preise erlebt. Dabei ist zu sagen, dass sich die Preise auf dem letztjährigen Niveau in etwa gehalten haben. Ja, man kann wohl sagen, dass das Angebot im Vergleich zum letzten Jahr sogar noch zurückgegangen ist.
- Auch bei den Verkäufen kann man - jedenfalls bei uns - keineswegs von einem Einbruch sprechen. Ich gehe nicht von Steigerungen gegenüber dem letzten Jahr aus, aber von in etwa gehaltenen Umsätzen, was heute an sich schon ein (grosser) Erfolg darstellt!
- Die Inflation ist sehr tief und man kann sie nach wie vor in unserem Land mehr oder weniger vernachlässigen. Wichtiger aber noch: auch für die nahe Zukunft sehe ich hier kaum eine grosse Aenderung voraus. Die Zinssätze werden sehr tief bleiben. Das gibt dem Markt eine merkliche Entlastung.
- Heute hat man nicht die geringsten Probleme, einem Aktienanleger klassische Schweizer Marken als Sammelobjekt nahe zu bringen. Nach den teilweise unglaublichen Verlusten bei den Aktien wird ein Markt mit gehaltenen Preisen als paradiesische (Anleger-)Insel empfunden. Als einen Anlagebereich notabene, der dem Besitzer auch noch eine echte (Sammler-)Freude bereitet! Das scheint mir auch der entscheidende Punkt bei einer solchen Beurteilung zu sein: das Sammeln von Briefmarken sollte Ihnen in erster Linie Freude bereiten! Freude bereiten und Entspannung bringen vom Alttagsstress. Sie sollten nicht nach einer Rendite in Prozenten fragen, sondern diese Rendite nach der bereiteten Freude am erworbenen Objekt messen! Diese wird umso grösser ausfallen, je ehrlicher und sachkundiger Sie sich haben beraten lassen. Sie können sich die Zufriedenheit jener Sammler vorstellen, die meinem Rat vor zwei Jahren (und auch noch jenem vor einem) gefolgt sind und die damaligen Aktiengewinne mitgenommen und in klassische Schweizer Marken investiert hatten!
- Auch wenn man kein grosser Kenner der Alt-Schweiz-Ausgaben ist, so kann man heute eigentlich in allen Gebieten kaufen ohne Angst haben zu müssen, dass man in einen überhitzten Markt einsteigt. Im Gegenteil: wir haben nach wie vor einen Käufermarkt, in welchem kaum eigentliche Preisüber-hitzungen auszumachen sind. Das Angebot reicht aus, um die Nachfrage zu stillen, ohne aber in einem Bereich zu überborden.
- Die Philatelie ist ein Hobby, das in allererster Linie den Leuten Freude bereiten soll. Mit welchem Hobby und mit welchem Einsatz überzähli-ger Mittel Sie sich in Ihrer Freizeit beschäftigen, ist Ihre persönliche Angelegenheit und an sich egal. Die Hauptsache dabei ist, dass Ihnen diese Betätigung Spass macht und Sie sich wohl und zufrieden dabei fühlen. Aus diesem Grunde ist es völlig abwegig, dass gewisse Leute sich in erster Linie mit der Frage beschäftigen, was der Kauf von Briefmarken ihnen für eine "Rendite" bringe! Rendite in Franken und Prozenten! Solche Leute haben den tieferen Sinn der Sache nicht verstanden. Oder haben Sie schon einmal einen begeisterten Skifahrer gesehen, der am Abend eine abgelaufene Tageskarte eines Skiliftes an den Schalter zurückbringen will mit der Frage, was er dafür jetzt noch bekomme? Oder einen Golfspieler, der am Ende eines Jahres seine Jahreskarte dem Klub zurückverkaufen möchte? Bei allen andern Hobbies käme gar niemand auf solche Ideen. In der Philatelie aber schon. Sie sollten darüber auch dann einmal ernsthaft nachdenken, wenn Sie immerhin davon ausgehen können, dass im Gegensatz zu den erwähnten andern Hobbies in der Philatelie (am ehesten wohl bei den ganz alten, klassischen Marken) am Ende durchaus irgend etwas noch zurückzukommen pflegt! Und dies auch dann, wenn Sie bereits ein volles langes Menschenleben lang Freude und Genugtuung damit haben erfahren und erleben dürfen! Die erlebte lebenslange Sammlerfreude sollte den Kaufbetrag schon mehr als wettmachen. Was am Schlusse noch finanziell zurückkommt ist also eine zusätzliche Rendite!
Empfehlungen
Kantonals sind nach wie vor preislich vernachlässigt. Sie sollten hier auch die Gelegenheit ergreifen um bessere Stempel zu erwerben, die heute verhältnismässig geringe Aufpreise erfordern. Ebenso Briefe, die keines-wegs überteuert sind. Rayons erfreuen sich in den letzten Jahren einer vermehrten Nachfrage, indem sie jetzt auch für Plattierungen wieder gesucht werden. Vor allem die selteneren Drucksteine sind nicht in Mengen zu finden. Seltene Stempel und Einheiten (Paare und grösser), wie auch Briefe sind nach wie vor interessant und sollten in keiner Sammlung fehlen. Strubel und sitzende Helvetia gezähnt gehören zu den beliebtesten Gebieten für die Heimatsammler, die die Entwertungen eines Kantons, einer Region oder auch nur einer Ortschaft zusammentragen. Dies ist ein ideales Gebiet für einen Sammler, der nicht über all zu viele Mittel verfügt oder der hier ein Nebengebiet noch pflegen möchte. Mit seltenen Frankaturen und vor allem auch mit Briefen nach seltenen Destinationen finden sich hier aber auch Seltenheiten für den ganz fortgeschrittenen, grossen Sammler. Die diesbezüglich etwas übersetzten Preise der letzten Jahre haben sich auf ein vernünftiges Mass zurückgebildet, sodass man jetzt wieder zugreifen kann. Ungebrauchte Marken aus dem klassischen Bereich werden erfreulicherweise viel mehr gesammelt als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Das ist gut so, denn diese sind in aller Regel wesentlich seltener als die scheinen. Geburtstagssammlungen nennt man Zusammenstellungen von losen Stücken oder auch Briefen, die alle am selben Tag und im selben Monat und in möglichst vielen verschiedenen Jahren entwertet worden sind. Solch eine Zusammenstellung (Sammlung kann man dies fast nicht nennen, weil in der Regel davon nur einige wenige Seiten zusammenkommen) scheint mir der denkbar beste Einstieg für einen Neusammler zu sein. Für einen möglichen Erben der Sammlung also (Kinder, Enkelkinder, Patenkinder usw), der noch keine grosse oder überhaupt keine Beziehung zu den Briefmarken hat und dem man diese gerne vermitteln möchte. Wenn er solch eine kleine Zusammenstellung seines eigenen Geburtstagsdatums als Vorspann zu einer folgenden Briefmarkensammlung vorfindet, so ist es für ihn nicht mehr ein nichts-sagendes Album mit einer fremden Materie, die ihm nichts bedeutet und die er - wenn es nach ihm ginge - deshalb am liebsten sofort zu Bargeld machen würde. Mit seinen eigenen Geburtstagsdaten gespickt wird solch ein Vermächtnis oder Geschenk zu einer ganz persönlichen Sammlung, die seinen eigenen Stempel aufgeprägt erhalten hat. Solchermassen persön-liche Sammlungen behält man ganz anders in Ehren. Ja, man wird in den meisten Fällen sehen können, dass dafür dann ein Interesse zu einer eigenen diesbezüglichen Betätigung und Sammlerei geweckt wird. Und genau dies war ja doch wohl das Ziel Ihrer Sammlungsweitergabe - nicht wahr?
Den Nachwuchs zu fördern sind wir alle aufgerufen! Wir Händler geben uns alle Mühe und scheuen keine Kosten dafür. Nachwuchs unter den Sammlern kann, muss aber nicht bedeuten, dass wir hier von Schülern sprechen. Warum soll nicht ein Rentner im Ruhestand sich dieses herrliche Hobby noch zulegen, jetzt, wo er endlich einmal - vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben! - über etwas Freizeit und vielleicht sogar über ein paar Franken verfügbare Mittel verfügt, die er in solch ein Hobby investieren könnte und auch möchte? Deshalb meine Bitte zum Schluss: helfen Sie mit Ihren eigenen Käufen (soweit es Ihnen halt möglich ist) dazu bei, dass diese etwas schwieriger gewordene Zeit überbrückt und damit die allge-mein etwas gedrückte Konsumentenstimmung aufgeheitert wird. Und sorgen Sie dafür, dass Sie selber (nicht irgend ein Verein oder irgend ein Händler!) einen Nachfolger oder einen Neusammler finden. Es ist nicht entscheidend, ob Sie jemanden für genau Ihre Sammlung finden. Falls dies nicht möglich ist, genügt es vollkommen, dass Sie einfach den einen oder andern Freund, Bekannten oder Jugendlichen dazu bringen mit dem Sammeln anzufangen und dass damit neue Sammler wieder entstehen. Damit ist allen gedient, Ihnen, der Sie einst Ihre Sammlung in gute Hände übergeben wollen oder aber zu einem fairen Preis verkaufen möchten und auch uns Händlern, die wir vom Handel schliesslich einen Ertrag zu erwirt-schaften haben um unsererseits wieder in der Lage zu sein, für die angebotenen Objekte erstens einmal einen Bedarf zu haben und zweitens auch noch einen anständigen Preis bezahlen zu können.
Ich hätte ein schlechtes Gewissen, diesen Artikel mit meinem Namen zu unterzeichnen, ohne jenen Leuten zu danken, die das Erscheinen dieses Kataloges überhaupt erst möglich gemacht haben: meiner Frau und unserer jüngsten Tochter, zahlreichen Verwandten, die traditionsgemäss beim Versand mitfehlen und vor allem meinem Sohn Markus, der ihn selbständig redigiert hat. Sein Werk finden Sie vor allem auch in dieser Homepage!
Es ist mir ein Anliegen, Ihnen für Ihre Käufe und Kontakte in diesem vergangenen Jahre von Herzen zu danken und Ihnen ein geruhsames und friedliches neues Jahr zu wünschen.
Schmerikon, 12.11.2002
Ihr Gottfried Honegger