In der Alt-Schweiz-Philatelie gibt es einige Korrespondenzen aus Familienarchiven die zu Berühmtheit gelangt sind. Hier könnte man unter anderem etwa an die bekannten Briefe einer besorgten Mutter an ihren rund 10-jährigen Sohn Théodore Barrilliet im berühmten Pensionat Naville in Vernier (GE) erinnern, wo dieser die Privatschule besuchte. Die meisten dieser Briefe sind mit einer Doppelgenf frankiert und da es sich um Faltbriefe handelt, kann man auch heute noch schmunzelnd die Ratschläge der liebenden Mutter an ihren minderjährigen Sohn nachlesen.
Vielen Sammlern bekannt sein dürfte auch die Korrespondenz von Dr. A. Odermatt in Stans mit Fräulein Regula Hottinger in Zürich. Dies vor allem wegen der Rayon II-Halbierungen (mehr als ein Dutzend!). Aus dieser Familienkorrespondenz sind aber durchaus auch Briefe bekannt, die den umgekehrten Weg genommen hatten, also von Fräulein Hottinger an Dr. A. Odermatt.
Unser diesjähriges Titelbild entstammt einer weiteren Familienkorrespondenz, von der mir allerdings nur die Adresse «Fräulein Friederike Zellweger in Bischofszell» bekannt ist. Auch davon dürfte es ein gutes Dutzend Briefe geben. Gemeinsam haben diese Briefe die Tatsache, dass es sich dabei um Mischfrankaturen eines Paares Orts-Post mit Kreuzeinfassung und einer Rayon II handelt. Alle sind von Bern und zunächst mit dem blauen PD, hernach dann – nach dem 8.8.1851 – mit der blauen eidgenössischen Raute von Bern entwertet. Es handelt sich dabei um Umschläge (also keine Faltbriefe), sodass der Inhalt und der Absender unbekannt geblieben sind.
Man darf ohne Übertreibung sagen, dass diese Zellweger-Briefe wohl als die schönsten Mischfrankaturen der Durheim-Ausgaben gelten. Sie zeichnen sich durch eine wunderbare Frische und Schönheit der Belege (keine Falten, sehr saubere handschriftliche Adresse und sehr saubere Entwertung) aus. Es gibt zwar einen oder zwei Briefe, deren Marken repariert worden sind. Meist handelt es sich aber um absolute Luxusstücke, «Traumstücke» für ganz grosse Ausstellungssammlungen, für die seit jeher die Notierungen im Spez.-Katalog keine Beachtung gefunden haben. Man kennt dafür Auktionszuschläge im Bereich bis zu rund 30’000.– und dies schon vor vielen Jahren!
Unser Titelbild ist ein typisches Beispiel dieser Archivbriefe. Man darf es als möglicherweise schönstes diesbezügliches Stück überhaupt bezeichnen. Es steht auch deshalb über den andern Zellweger-Briefen, weil die Entwertung hier noch mit dem blauen PD von Bern vorgenommen worden ist. Die meisten anderen Briefe sind mit der blauen Raute entwertet.
Sehr interessant scheint mir die Tatsache zu sein, dass hier die erforderliche 15-Rappen-Frankatur immer in der Form von zwei Orts-Post (mit Kreuzeinfassung) und einer Rayon II vorgenommen worden ist. Das lässt darauf schliessen, dass der Absender zu Hause einen Markenvorrat gehabt haben muss. Und zwar an Orts-Post-Marken (normalerweise für die Orts-Briefe von Bern) und Rayons II. 5-Rappen-Rayons hat er offenbar nie verwendet! Wären die Briefe erst auf dem Postamt in Bern frankiert worden, wären zweifelsfrei auch 5er-Rayons zur Verfügung gestanden. Und damit wäre die Philatelie um diese herrlichen Mischfrankaturen ärmer!
Als kleine Randbemerkung dazu noch dies: neulich konnten wir einen weiteren Brief mit blauer Raute von Bern vom 15. April 1852 nach Bischofszell erwerben (genau gleiche Luxuserhaltung!). Dieser Brief trägt nun aber schon eine Rayon III kleine Wertziffer und die Adresse heisst nicht mehr «Fräulein Friederike Zellweger», sondern neuerdings «Frau F. Roth-Zellweger in Bischofszell». Der Absender ist gemäss der Handschrift aber identisch. Das liebe Fräulein Friederike scheint in der kurzen Zwischenzeit durch Herrn Roth geehelicht worden zu sein.