Ab und zu hat man als Händler Lose, die man nur schweren Herzens veräussert. Man hat dazu möglicherweise eine persönliche Beziehung oder ist von der Rarität eingenommen. Solche Seltenheiten sind es denn auch, die man sehr gerne wieder erwirbt, wenn sich dazu eine Gelegenheit ergibt.
Der Brief mit obiger Mischfrankatur gehört dazu! Wir haben ihn zum ersten Mal vor gut 26 Jahren verkauft. Den Nachlass konnten wir nun – von der nächsten Generation – wieder erwerben. Und diese Rarität ist in der Zwischenzeit eine Rarität geblieben! Es handelt sich hier um eine der sicherlich schönsten und best erhaltenen Mischfrankaturen dieser Nummern.
Bemerkenswert ist der Beleg aus verschiedenen Gründen. Einmal haben wir in unserer Statistik (wieder einmal geht es damit nur langsam vorwärts – Babypausen gehen natürlich vor!) lediglich folgende notiert:
Winterthur mit Rayon I dunkelblau mit Kreuzeinfassung: 3 Briefe
Winterthur mit Rayon I dunkelblau ohne Kreuzeinfassung: 6 Briefe
Nun gibt es dazu aber das bekannte Problem, wenn man alle Belege, die man (möglicherweise schon vor Jahren oder Jahrzehnten) einmal aus irgendeinem Auktionskatalog heraus notiert hat. Diese Arbeit wurde in verdankenswerter Weise durch Verwandte und Bekannte ausgeführt, die aber naturgemäss keine Kenner der verschiedenen Materien sind. Wenn es jedoch an die konkrete Bearbeitung eines Gebietes in einem Artikel geht, so nehme ich mir selber die Stücke einzeln vor (von fast allen existieren Fotos) und beurteile diese nach bestem Wissen und Gewissen. Natürlich ist dies niemals qualitativ möglich, da man die Belege ja nie in Natura vor Augen hat. Aber ob eine augenfällige Unstimmigkeit vorliegt, kann man meist beurteilen. Dazu gehören vor allem Frankaturverfälschungen. Viele Verfälscher hatten oder haben oft keine Kenntnis, welche Stempel oder welche Drucksteine in welcher Zeitspanne überhaupt möglich waren. Wenn sie sich solchermassen «vergriffen» hatten, kann man dies bald einmal entdecken. Meist fällt dann auf, dass auch die Stempelübergänge dubios oder gar nicht vorhanden sind usw. Aus genau diesem Grunde dauert bei mir die Bearbeitung einer solchen Datei je nachdem viele Stunden wenn nicht gar viele Tage.
In der obigen Aufstellung der Mischfrankaturen der Winterthur mit der dunkelblauen Rayon hat sich dies – leider! – wieder einmal sehr schön bewahrheitet! Die drei Briefe mit den 15I scheinen mir in Ordnung zu sein. Dort spricht nichts gegen diese. Leider sind aber von den sechs Briefen mit der 15II nicht weniger als drei äusserst dubios. Jedenfalls möchte ich niemals meinen Namen dafür hergeben, diese als echt zu verkaufen. Atteste hin oder her. Für mich handelt es sich (ohne an dieser Stelle auf die Gründe einzutreten) ganz klar um Frankaturverfälschungen.
Folge daraus: es verbleiben in meiner Statistik aus diesem Grunde lediglich je drei Briefe mit diesen Mischfrankaturen einer Winterthur mit einer dunkelblauen Rayon!
Bei diesen handelt es sich also umso mehr um eine Sache mit dem Prädikat Weltrarität!
Der obige Brief ist auch in anderer Hinsicht bemerkenswert, geht er doch nach Rapperswil, in den Kanton St. Gallen. Die sogenannte Winterthur-Marke war genau genommen keine kantonale Marke (von Zürich), sondern eine, die von Anfang an im ganzen Postkreis VIII Gültigkeit hatte. Dazu gehörten nebst dem Kanton Zürich auch die Kantone Thurgau, Schaffhausen und vorderhand noch Zug. Innerhalb dieser Kantone war die Marke also problemlos frankierbar. Es scheint nun aber, dass nach der Üebernahme der kantonalen Postverwaltungen durch die Eidgenossenschaft diese gültigkeitsmässigen Begrenzungen larger gehandhabt oder gar aufgehoben worden sind. So finden wir vom Kanton Genf ja etliche der sehr seltenen Mischfrankaturen in andere Kantone. Z.B. Paar Waadt 5 auf Brief zusammen mit Rayon II in andere Kantone nebst den Briefen mit einer Neuenburg und Rayons usw.
Auch mit der Winterthur-Marke entsinne ich mich, 1971 einen Brief von Frauenfeld nach St. Gallen mit einem Paar und 1979 einen solchen mit einem Dreierstreifen von Richterswil nach Rapperswil verkauft zu haben. Alle diese Briefe aus dem Jahre 1851 gingen also aus dem Bereich des Postkreises VIII hinaus.
Nicht ganz einfach ist die Bewertung einer solchen Seltenheit! Bei Zumstein findet man im Spezial-Katalog für alle der möglichen Kombinationen jeweils ein "LP" (= Liebhaberpreis), was einem natürlich nicht gross weiterhilft. Konkreter ist die Bewertung im «Handbuch und Spezialkatalog» der Firma Corinphila aus dem Jahre 2011. Dort wird die Kombination Winterthur mit Rayon I dunkelblau mit dem fünffachen Preis eines Paares der Nummer 12 auf Brief (= 5 x 35'000.--) angebeben, was dann 175'000.-- ausmacht. Diese Bewertung halte ich absolut für vertretbar. Allerdings wird darin kein Unterschied zwischen den Kombinationen 12/15I und 12/15II gemacht.
Da dieser Brief innerhalb der ganzen Sammlung erworben werden konnte, sind wir in der Lage, ihn auch sehr preiswert anzubieten.