03 honegger philatelie Wissenswertes

Lasst hören aus alter Zeit

Zur Geschichte des Drucks des Steines A1 der gelben Rayons

Mit keinem der grossen Kenner und Forscher der Durheim-Ausgaben hatte ich einen engeren schriftlichen Kontakt als mit Werner Städeli. Im Laufe der Jahre ergab dies sicher Dutzende von Schreiben. Noch mehr als mit Dr. V. Streiff. Mit Willy Bryner schliesslich verband mich der inten-sivste persönliche Kontakt, indem ich unzählige Samstage mit ihm zusammentraf, um über die Rayons zu diskutieren. Der Kontakt mit allen dreien war für mich prägend und ich habe ihnen sehr viel zu verdanken.
Auf der Suche nach einer alten Aufzeichnung bin ich zufällig auf ein Schreiben von Werner Städeli an mich vom 14. Oktober 1972 gestossen, aus dem ich gerne einige Passagen zitieren möchte, weil sie Antworten auf Fragen zur Farbenvielfalt des ersten Drucksteines der gelben Rayons, des Steines A1, geben und deshalb heute immer noch von aktuellem Interesse sein könnten. So schreibt Städeli:
«Durheim hatte mit dem Druck der Stein A1-Marken einige Monate vor Ausgabe (1.Okt.1850) be-gonnen. Er hat da zweifellos die gegebenste Gelbfarbe für die R II gesucht und alle möglichen Gelbfarben und Mischungen versucht. Er scheint sie dann auch gefunden zu haben, denn mit Stein A2 sind die Dutzenden von Farbvariationen, wie sie bei A1 gefunden werden, schlagartig verschwunden. Natürlich hat es auch, wie in jedem Stein, im A2 Farbvarietäten. Meine Samm-lung besteht nicht nur in Stücken nach Drucksteinen, sondern in der Hauptsache in Farbvariatio-nen innerhalb eines Drucksteines. Ich besitze einen ganzen Band nur Rayon II A1 und lade Sie ein-mal, wenn Sie nach Zürich kommen, zu einer Besichtigung ein.»

Und weiter aus seinem Brief:
«Durheim, vom Philatelisten Schulze Anfang der Neunzigerjahre (kurz vor Durheims Tod) gefragt, sagte aus: Mit den Frankozettelchen hatte ich mich nicht so befasst. Das Photographieren war damals meine Passion. Es sei viel gepröbelt und verpröbelt worden damals, bis es dem Herrn Bundesrat Näff (Postminister) in den Kram gepasst habe.»
Städeli fährt fort: «Man hatte Angst vor Fälschungen, damals natürlich nur zum Schaden der Post, weswegen auch 40 verschiedene Typen erstellt wurden. Vergessen wir nicht, dass der Vielfar-bendruck damals für Durheim Neuland war. Es existierten im Steindruck noch keine Mehrfarben-drucke auf dem Markengebiet auf der Welt.
Ende der Vierzigerjahre reiste ich in ganz Westeuropa herum, von Spanien über England bis Nor-wegen und suchte mir nebst den besseren Drucksteinen hauptsächlich Farbvarietäten innerhalb der einzelnen Drucksteine zusammen. Im Ausland kannte man die Rayon-Drucksteine ohnehin nicht und in der Schweiz waren es damals höchstens fünf Spezialisten, mit unterschiedlichem Können, die dieses Gebiet zu sammeln anfingen. Ich kaufte, was ich irgendwie konnte und brachte es Dr. Munk, zwecks Fotoerstellung, heim.
Der Stein A1 muss als eine einzige Probearbeit von Durheim angesehen werden. Es gibt unter diesen Stücken solche Gelbdrucke, die ich noch für viel seltener halte, als die sog. Tabakbraunen. Aber das kann nur ein Spezialist ersehen, der sich mit diesem Gebiet speziell abgibt.»
Soweit die Auszüge aus dem Schreiben von Werner Städeli.

Carl Durheim war Lithograf in Bern. Seine Leidenschaft gehörte aber weniger dem Druck der Briefmarken (im Steindruckverfahren), sondern der Fotografie, der Daguerrotypien. Zunächst Portraits, dann auch Landschaften. Er betrieb in Bern ein Fotoatelier.
Den Deutschen Dr. Herbert Munk (1875 – 1953) kann man zweifelsohne als ersten Erforscher der Durheim-Marken bezeichnen. Er war einer der grössten Markenkenner seiner Zeit und arbeitete am grossen Kohl-Briefmarken-Handbuch, in welchem alle damals bekannten Postgebiete alpha- betisch bearbeitet werden sollten. Er kam vom Buchstaben «A» bis zum «I», als er 1936 Deutsch-land verlassen musste und in die Schweiz emigrierte. Der Schweiz. Philatelisten-Verein bat ihn, sich der Durheim-Ausgaben anzunehmen, was ihm in den folgenden Jahren den Zugang zu den meisten grossen Sammlungen ermöglichte. Die Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zwang ihn, 1951 seine Arbeiten einzustellen. Ernst Müller aus Basel konnte diese, zusammen mit rund 12000 Fotos der Rayons I und II, übernehmen. Dieser setzte sich zum Ziel, die Arbeit der Rekonstruktion der Rayon-Drucksteine weiterzuführen. Jene der Rayon II-Ausgabe konnte Ernst Müller mit Hilfe von Kollege Jean Kottelat und vom grossen Sammler und Forscher Dr. V. Streiff gegen Ende der 60er-Jahre vervollständigen. Die diesbezügliche Studie wurde 1967/1968 in der Schweiz. Briefmarken-Zeitung veröffentlicht.
Auf den Unterlagen und Fotos von Dr. Munk basierend, entschlossen sich Mario Colombi, Dr. Viktor Streiff, Jean Kottelat und Werner Städeli, die Studien der hellblauen Rayons wenn irgend möglich auch zu Ende zu bringen, was kurz vor dem plötzlichen Ableben von Dr. Streiff (1973) auch ge-lang. Auch dieses Werk wurde in den folgenden Jahren in der SBZ nach und nach veröffentlicht und mit Hilfe des Fonds zur Förderung der Philatelie ebenfalls in Buchform herausgegeben.

Eigene Gedanken zu diesen Gegebenheiten bei den Rayon II, Stein A1:
Plötzlich wird einem klar, warum der gelbe A1-Stein dermassen vielfältig und dadurch auch heute noch dermassen beliebt ist. Nicht nur die Stempelvielfalt begeistert hier, sondern vor allem auch die Vielfalt an Farbnuancen. Jene der Familie der Tabakbraunen haben wir in Zusammenarbeit mit dem Prüfer Urs Hermann erörtert und recht umfassend wissenschaftlich studiert und die Ergeb-nisse im Katalog des Schweizer Briefmarken-Händler-Verbandes mit Bewertungen aufgenom-men. Künftig werden wohl noch weitere Farbnuancen Aufnahme finden.

Es gibt bei den späteren Steinen A2, A3, B und B1 nur wenige markante Farbnuancen. Einzig bei den Steinen D und E wieder etwas mehr. Das ist aber auch kein Wunder. Denn Dr. Munk schätzte die Auflage des Steines A1 auf ca. 300’000 Exemplare. Jene der Steine D und E jedoch je auf rund 2’240’000 Stück. Bei einer 7- 8x grösseren Auflage ist es verständlich, dass es viel mehr Farb-unterschiede geben müsste. Denn die Farbe musste ja auch viel häufiger neu gemischt werden. Dennoch gibt es viel weniger Nuancen als bei A1, was klar auf die Vermutung von Städeli hin-weist, dass der Stein A1 für Durheim ein eigentliches Experimentierfeld dargestellt hatte, auf dem viel «gepröbelt und verpröbelt» worden sei (Nach Durheim selber).

Wenn wir heute diese fertigen Werke für die tägliche Bestimmungsarbeit benützen, denken wir dabei ab und zu wenigstens an jene Vorreiter, die in jahrelanger Arbeit und mit viel Einsatz an Zeit und Geld den Weg bis zu den fertigen Büchern bereitet haben? Wir alle können diesen Leuten heute nicht mehr persönlich danken, wenn wir es nicht zu deren Lebzeiten schon getan haben. Für mich selber bedeutet dies, dass ich (vor Veröffentlichung der Bestimmungsbücher!) nicht nur hunderte, sondern wohl einige tausend Rayons von Dr. Streiff und Werner Städeli druckstein-mässig bestimmen lassen konnte. Oft gegen eine minimale Gebühr, oft aber auch – wie im Falle Dr. Streiff – einfach gegen die Möglichkeit, ihm fehlende Typen zu einem fairen Preis zu überlassen.

Die Dankbarkeit diesen frühen Forschern gegenüber können wir heute jedoch jenen entgegen-bringen, die sich heute mit Rekonstruktionen neuer Gebiete befassen und uns für entsprechende Hilfen angehen, indem wir diesen nach besten Möglichkeiten auch helfen. Im Bereich der Dur-heim-Ausgaben denke ich vor allem an Felix Fischer, der seit Jahren an den verschiedenen Druck-steinen der dunkelblauen Rayons, und an Bernhard Geiser, der an der Rekonstruktion wohl bald einmal sämtlicher Kantonal-Marken arbeitet. Solche Bemühungen, die früher oder später allen Philatelisten einmal zugute kommen werden, sind nicht hoch genug einzuschätzen. Ihnen ge-bührt unser aller Dank.

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