03 honegger philatelie Wissenswertes

Kannibalismus bei Alt-Schweiz-Marken!

Wir Philatelisten sollten nicht nur «auf einer Hochzeit tanzen». Es zeugt von einem offenen Geist, wenn man mehr als ein einziges Sammelgebiet gleichzeitig unterhält. Findet man im einen Gebiet für eine gewisse Zeit kaum mehr etwas, hat man vielleicht mit einem andern mehr Glück. Dadurch vermehren sich automatisch die Momente der Freude, wenn man ein passendes Stück findet. Ich gebe es zu, es mag einer meiner grossen Nachteile sein, dass ich mich oft zu Sammelgebieten hingezogen fühle, die man eigentlich gar nicht sammeln kann, die kaum jemand sonst für sammelwürdig hält. Oder aber, die man in der Regel für gar nicht realisierbar hält. Eines davon besteht nur aus ein paar wenigen Seiten. Und dennoch habe ich mich schon vor Jahrzehnten entschlossen, hier ein paar der «absolut nicht sammelwürdigen» Stücke zusammenzutragen. Schauen Sie selbst:

Die Zürich 6 auf diesem Brief von Horgen nach Knonau könnte man sich heute auch in einer verwöhnten Sammlung durchaus vorstellen. Das heisst, wenn sie denn noch auf dem Brief kleben würde! f

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Einen weiteren Brief ans Pfarramt in Knonau gibt es auch von Zürich. Dann natürlich mit der roten Rosette.

Ryhiner-Briefe mit Basler Tauben von Basel gibt es recht viele. Deshalb wird der Erbe dieses Beleges (Sammler oder gar Philatelist kann man ihn ja kaum nennen!) gedacht haben, dass er wohl einen davon opfern und die Marke als loses Stück weggeben oder sie auf eine «Sammlungs-Seite» kleben könne. Auf diesen selbstgefertigten Schulheft-Albumseiten benötigten Briefe ja viel zu viel Platz!

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Mein Freund Hansulrich Sieber, von dem ich den Brief erhalten habe, schrieb handschriftlich dazu: «War hier irrtümlich eine Taube drauf?» In der Tat klebte unten links zweifelsfrei einmal eine Basler Taube. Allerdings wurde diese kaum zu Sammelzwecken wieder weggerissen (einfach «entfernt» zu schreiben, griffe in diesem Falle etwas zu kurz!). Der Absender Wiedmayer (poste restante!) frankierte den Brief an die Firma Immer & Schneiter in Tavannes möglicherweise selbst. Auf dem Postamt hat man ihm dann wohl mitgeteilt, dass die Basler Taube für einen Brief in den Berner Jura (gut 15 Wegstunden) gar nicht gültig wäre. Darum wird er seine Taube wieder behändigt haben.

 

Die 5. Periode der Genfer Marken nach Richard Schäfer, Handbuch der Postgeschichte von Genf, betraf die letzten drei Monate des Jahres 1849. Das Kantonalporto betrug 7 Centimes. Da es dafür keine Marke gab, musste man einen dunkelgrünen Adler verwenden, der nicht zum aufgedruckten Betrag von 5, sondern nur zu 4 Centimes verkauft worden war. Dazu kam dann ein roter Taxstempel «3 Cs», sodass man insgesamt das Porto von 7 Centimes erreichte. Diese Briefe mit der Zusatz-Taxierung sind heute sehr gesucht und selten. Schäfer erwähnt lediglich 11 solche Briefe! Rechts oben ist ein Teil der roten Rosette noch sichtbar.

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Auch in diesen beiden Briefstücken wurden dunkelgrüne Adler malträtiert! Bemerkenswert ist beim linken Briefstück der rückseitige Bleistiftvemerk «environ 200 lettres»! Wenn der gute Mann selber 200 solcher Briefe (oder mit andern Kantonalmarken) gehabt hat, so kann man nur bedauern, nicht schon damals im Briefmarkenhandel tätig gewesen zu sein! Für mich selber hätte er die Marken nicht unbedingt ausschneiden müssen – ich hätte ihm die Arbeit erspart und ohne weiteres auch die ganzen Briefe gekauft!

Den grünen Petschaftsstempel «M.L.» der Posthalterin von Wangen an der Aare (Marie Lanz) kann man auf diesem Beleg leider nicht mehr sehen. Der Besitzer des Briefes wird die gelbe Rayon mit diesem Stempel für andere Verwendungszwecke weggerissen haben. Wenn er gewusst hätte, was für Bauchschmerzen er dadurch heutigen Sammlern, die sich bei den seltenen Schweizer Stempeln einigermassen auskennen, verursacht hat, könnte es sein, dass er sich seine Schandtat vor deren Ausführung nochmals überlegt hätte! h

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Mit Dr. Egger, aus dessen Sammlung diese Stücke stammen, muss ich irgendeine gewisse Seelenverwandtschaft haben! Mir gefiel seine zurückhaltende und unaufdringliche Beschreibung seiner Marken. Und schliesslich hatte er gar den Mut, diese beiden Rayons in der Sammlung drin auszustellen, unter dem Titel «Liliputschnitt»! Mir selber haben diese auch gefallen. Und zwar nicht nur, weil es zwei gelbe A3-Steine sind!

Auf diesem Brief von Brugg nach Elgg klebte unten links offensichtlich eine Rayon III. j
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Auch wenn man den Lugano-Vorläufer nicht mehr zu den Alt-Schweiz-Marken zählen kann, habe ich ihn dennoch gerne in diese kleine Sammlung aufgenommen. Rückseitig befindet sich die handschriftliche Signatur des Piloten Attilio Maffei. Auch bei diesem Stück kann man sich fragen, was wohl mit dem abgerissenen Lugano- Vorläufer passiert oder was aus ihm geworden ist. Hat damals irgendjemand solche Ruinen wirklich gesammelt?

N.B.: Unser Lager besteht praktisch ausschliesslich aus ganzen Marken! Die verkaufen wir gerne. Zu fairen Preisen. Wie Sie sehen, behalten wir die «Knochen» für uns selber!

 

 

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