Ich habe allen Grund, meinem Herrgott dankbar zu sein, indem er meiner Frau und mir selber einen Nachfolger aus der eigenen Familie geschenkt hat, der das Zeug dazu hat, ein sehr fähiger Händler zu werden. Ich habe immer schon grossen Wert darauf gelegt, ihm nicht nur gewisse geschäftliche Aktivitäten nach und nach zu übergeben, sondern damit parallel auch sofort die entsprechende Selbstverantwortung. Bei mir durfte er ohne weiteres auch einmal einen Fehler machen – daraus lernt man viel mehr als mit lauter guten Ratschlägen. Es kommt immer nur darauf an, was man daraus selber für Lehren zieht und wie man sich dazu stellt. Das war schon zurzeit so, als ich mich mit Schachspielen weit mehr befasst hatte als mit meinem damaligen Hobby, den Briefmarken! Aus den eigenen Fehlern habe ich weit mehr gelernt, als aus den Siegen!
Profitieren kann man durchaus auch, wenn man sich im Kollegenkreise umsieht, was für Erfahrungen denn Kollegen mit eigenen Kindern machen, die ebenfalls die berufliche Nachfolge angetreten haben. Und da gab – und gibt – es durchaus Fälle, die ich mir keinesfalls als Vorbilder aneignen wollte. Deshalb ist es für mich eine echte Befriedigung, zu sehen, dass unser Sohn Markus auf einem anderen, besseren Weg ist. In den rund 30 Jahren, in welchen er in unserem Betrieb vollamtlich schon mitarbeitet, hat er sich in jedem Teilgebiet nach und nach vervollkommnet, sodass es heute keine Sparte mehr gibt, wo ich ihm fachlich noch «das Wasser reichen» könnte. Sie werden das bald einmal realisieren, wenn Sie den Kontakt mit ihm suchen. Möglich, dass er einiges im Geschäft ändern, besser machen wird als ich. Vor allem werden jene Kollegen und Sammler fündig werden, die sich nicht nur für Einzelstücke, sondern für ganze Sammlungen und Posten aus irgendeinem klassischen Gebiet der Alt-Schweiz-Philatelie interessieren. Das hat sicher auch damit zu tun, dass uns in den letzten Jahren immer mehr Sammlungen direkt angeboten worden sind. Nicht alle sind offenbar mit den Gepflogenheiten gewisser Auktionsfirmen einverstanden. Es ist dort gleich, wie auch bei den normalen Händlern: es gibt gute, aber auch andere. Solche – oft ausstellungsfertige – Objekte können Sie heute kaum irgendwo im Alt-Schweiz-Bereich finden.
Und noch etwas: wenn ein Sohn es eine ganze Generation lang – ohne allzu grossen Schaden zu nehmen – neben seinem Vater im selben Büro ausgehalten hat, so ist dies wahrlich ein grosses Lob wert und dafür gehört ihm mein besonderer Dank. Das soll ihm erst einmal einer nachmachen!
Mein Dank wäre unvollständig, wenn ich hier unerwähnt lassen würde, dass seine Frau Claudia, wie auch meine eigene, Margot, sich zuverlässig und ständig bemühen, uns im Geschäft nach besten Möglichkeiten zu unterstützen. Beide tun dies zwar mehr im Stillen, sie brauchen nicht das blendende Bühnenlicht, wo die heutigen Sterne und Sternchen sich zu produzieren versuchen. Umso erwähnenswerter finde ich dies und umso dankbarer bin ich dafür.
Im Bestreben, nun endlich ins zweite Glied zurückzutreten, zum letzten Mal Sie mit dem traditionellen Jahresrück- oder -Ausblick zu bemühen, den wohl kaum jemand jeweils gelesen hat, regte mein Sohn an, dass ich für einmal einige Erlebnisse aus meiner bald einmal 60-jährigen Berufserfahrung erzählen soll. Wie wenn dies so einfach wäre! Er offeriert mir vier (!) Seiten Platz im neuen Katalog! Ich bin aber weder ein Geschichtenerzähler, noch ein Memoirenschreiber! Geschichten gäbe es viele, aber man muss da etwas vorsichtig sein, weil man nie weiss, was noch lebende Zeitgenossen (oder deren Erben) zu konkreten Namensnennungen sagen werden. Versuchen kann ich dies, aber es werden rein zufällige Erlebnisse oder erwähnte Leute sein, die einem in den Sinn kommen, wenn man sich an irgendeine Ausstellung oder Börse erinnert. Und alles möglichst ohne konkrete Namen. Und meine Memoiren würden nicht vier Seiten, sondern vier dicke Wälzer füllen. Eine Arbeit also, die Jahre dauern und dennoch kaum jemanden interessieren würde.
Angefangen hat meine philatelistische Tätigkeit keinesfalls mit Alt-Schweiz, sondern mit den massenhaft produzierten Blocks und Ausgaben im Nachgang zur grossen Ausstellung Nabra 1965 in Bern. Ein bedeutender Händler damals war Hans Grünenfelder Senior, der nicht nur bei diesen hoch spekulativen Schweizer Blocks ein reichhaltiges Lager hatte, sondern vor allem auch bei den Ausgaben von Liechtenstein.
Zusammen mit Max Rudolf in Siebnen und Silvio Chiani (Senior) in Gossau hatten wir regelmässig ganzseitige Anzeigen, vor allem in Deutschland. Man erhielt auf jede Anzeige meist Dutzende von Bestellungen. Naturgemäss waren dies kleinere Summen und die Margen waren minimal. Die Nabra-Blocks von 1965 (Nominale = CHF 3.–) habe ich mit CHF 3.20 ausgeschrieben und massenhaft in alle Welt, vor allem aber nach Deutschland ausgeliefert. Ein Händler aus der Iberischen Halbinsel schuldet mir heute noch den Preis von 1000 Stücken, die er nie bezahlt hat. Mit diesem Berner Block von 1965 gab es aber nicht nur negative Erlebnisse, sondern auch lustige. So offerierte ein Kollege aus dem Bezirk Uster an einer Börse diesen Block ebenfalls zum Preis von CHF 3.20. Und zwar hatte er davon 20 Stück am Lager. Aus reiner Freude über den Verkauf aller 20 Blocks im Betrag von CHF 64.– und einem Reingewinn von CHF 4.– (ohne Zinsverlust) lud er gleich sämtliche anwesenden Händler zu einem Umtrunk ein! Die Nachfrage nach diesen modernen Spekulationsausgaben war so gross, dass der Einkauf an den wochenendlichen Schweizer Börsen unmöglich ausgereicht hätte. So hatte ich einen Kollegen in den USA, der dort im ganzen Land jene Sachen zusammensuchte und mir ein bis zweimal pro Monat zustellte, die auf meinen Einkaufslisten standen. Dabei hatte sein Hauptberuf gar nichts mit der Philatelie zu tun! Er war nämlich Generalimporteur für Bündner Trockenfleisch für die USA und betrieb die Philatelie nur im Nebenberuf.
In Rüti hatte Frau Vontobel einen kleinen Laden mit Briefmarken. Ihr verdanke ich einen Rat, den ich heute als unschätzbar einstufe. Auch wenn ich mir mit den modernen Schweiz-Marken einen gewissen Namen schon erarbeitet hatte. Sie meinte, dass ich doch unmöglich mich mit diesen langweiligen Spekulations-Ausgaben eines Tages dann pensionieren lassen könne. Ich solle mich doch vielmehr mit den klassischen Schweizer Ausgaben befassen und dieses Gebiet studieren. Das nahm ich mir zu Herzen und studierte im Weissen Wind in Zürich fortan weit mehr die Auslagen der Alt-Schweiz-Händler als jene der zahlreichen «Block-Kollegen». Das brachte mich recht bald mit den grossen Koryphäen der Durheim-Ausgaben zusammen: mit Werner Städeli und Willy Bryner. Sie gehörten zu den ersten, die die verschiedenen Drucksteine der Rayons (es gab die Bestimmungsbücher dafür ja noch nicht) kannten und auch bestimmen konnten. So lernte ich sehr schnell de besseren, selteneren Drucksteine von den gewöhnlichen, billigen, zu unterscheiden. Und meine ersten spärlichen Einkäufe an den Samstagsbörsen zeigte ich auf dem Heimweg regelmässig Willy Bryner, der diese begutachtete und mir anhand seiner zahleichen Rayon-Alben sehr viel Wissen dazu weitergab. Später, als sich mein Geschäft nur noch auf die alten Schweizer Marken beschränkte, konnte ich auch ganze Posten und Sammlungen mit Rayons erwerben, die mir Werner Städeli jeweils nach Drucksteinen bestimmte.
Beide besassen damals schon eine grosse Sammlung und konnten nur noch wenige Stücke neu hinzufügen. Im Gegensatz etwa zum dritten grossen Kenner, Dr. Viktor Streiff. Kennen lernte ich ihn an sich als Kunde für Rayons. Von Beruf war er Geologe und suchte (und fand) damals in der Sahara-Region Erdöl. Er setzte sich zum Ziel, sämtliche Rayons komplett nach Drucksteinen mit sämtlichen Gruppen zu rekonstruieren. Das war ein Ziel, das damals noch gar kein absehbares Ende hatte, weil man noch gar nicht wusste, wie viele Drucksteine es überhaupt gab. Hier sollten sich mit der Zeit immer wieder unerwartete Dinge ergeben, wenn ich nur an den sogenannten «Unbekannten Stein» bei den hellblauen Rayons denke! Ein richtiger Forscher, der er war, lässt sich nicht von einem vagen, noch nicht klar definierten Ziel abhalten. Im Gegenteil: was noch niemand erforscht hat und damit noch gar niemand kennt, spornt einen echten Forscher erst recht an. Damit hatte Dr. Streiff zunächst einmal einen grossen Bedarf an Rayons. Er fragte mich, ob er für mich eingehende Posten oder Sammlungen nach Steinen bestimmen dürfe. Selbstverständlich hatte er dann die erste Wahl für alle Stücke, die er noch brauchen konnte. Das hat zu einer langjährigen freundschaftlichen Zusammenarbeit geführt. Er beauftragte mich, für ihn an zahlreichen Auktionen seine Interessen wahrzunehmen und für ihn seine gewünschten Lose nach Möglichkeit zu erwerben. Er vermachte in seinem Testament die Rayon-Rekonstruktion dem Postmuseum in Bern. Für den restlichen Teil seiner Sammlung (er hinterliess ein beträchtliches Objekt, ab den Kantonals und den Rayons, die nicht Gegenstand seiner Rekonstruktion waren, mit allen Briefen und den Seltenheiten wie dem verkehrten Gelbdruck) ordnete er testamentarisch an, dass diese zunächst mir angeboten werden müsse.
Dabei reduzierte er seine Einkaufspreise gebührend, wohl wissend, dass ein Händler ja selber auch noch etwas verdienen müsse. Wohlverstanden: dies alles ohne mein Wissen – ich habe dies alles erst von seiner Frau nach der Testamentseröffnung erfahren!
Ich hatte das Glück, bald einmal den nächsten der wirklich grossen Kenner unserer alten Marken kennenzulernen: Bernhard Geiser. Beni war in der Drucksparte zu Hause, indem er beispielsweise die Werbung für einen Schweizer Grossverteiler gestalten durfte. Für die Philatelie brachte er einen unschätzbaren Vorteil mit sich: er war ein ausgebildeter Lithograf! Er setzte sich zum Ziel, die bislang noch nicht erforschten Alt-Schweiz-Marken nach Drucksteinen nach und nach zu rekonstruieren und zu bestimmen. Wobei er nicht unbedingt die Originale dazu benötigte, sondern nur sehr gute Fotos davon. Insbesondere ging es während wohl einigen Jahrzehnten bei ihm vor allem einmal um die Orts-Post- und die Poste-Locales-Marken. Jeweils mit und ohne Kreuzeinfassungen! Im Lauf dieser vielen Jahren haben wir ihm wohl nicht nur viele hundert, sondern wohl über tausend dieser Marken zugestellt, die er dann gescannt hat. Später, als er bei den Nummern 13 und 14 immer weniger Ergänzungen finden konnte, die ihm ja grösstenteils nur in Form von Paaren oder noch grösseren Einheiten noch dienlich waren, verlegte er sich auch noch auf etliche Kantonal-Nummern, wie dem grossen Genfer Adler, der Waadt 5 und der Zürich 6. Seine Arbeiten hielt er in Ordnern fest und diese Bibliothek war nicht einfach gross, sondern gigantisch! Sie umfasste alles in allem rund 160 A4-Ordner, dazu etliche Schachteln mit unaufgearbeiteten Kopien und Fotos. Als es darum ging, seine Arbeiten langsam einzustellen und abzuschliessen, hätte er dieses Lebenswerk an etliche Sammler, Händler oder Prüfer (auch mir!) gegen gutes Geld verkaufen können. Das wollte er aber nicht. Er hat allen Interessanten mitgeteilt, dass diese Bibliothek keinesfalls vereinzelt abgegeben werde, sondern nur komplett – und zwar an mich! Sicher war ich interessiert daran, aber niemals habe ich den geringsten Druck hier auf ihn ausgeübt. Er hat dies wohl als Anerkennung für die jahrzehntelange, freundschaftliche Zusammenarbeit verstanden, weil er von uns in all diesen Jahren alle Stücke vorgelegt erhalten hatte, die für ihn interessant waren und die wir einzeln oder in ganzen Sammlungen erwerben konnten. Er hat auch recht genaue Anweisungen gegeben, wie mit seinen Ordnern zu verfahren sei, dass keine aus dem Haus gegeben und keine Kopien gemacht werden sollen. Natürlich gedenken wir, uns daran zu halten, wie anders kann man solch ein unglaubliches Geschenk denn in Ehren halten? Unsere Tochter Jacqueline hat drei Tage frei genommen und hat bei uns einen ganzen Raum zu einem «Beni Geiser Archiv» umgestaltet. In drei grossen Wandschränken hat sie die 160 Ordner und die zahlreichen Schachteln einigermassen geordnet, sodass das Auffinden einer bestimmten Nummer einfacher vonstattengehen kann. Nach meiner Pensionierung hoffe ich, dass mir ab und zu Zeit und Musse bleiben wird, mich in den einen oder anderen Ordner von Beni selber zu vertiefen und in die zahlreichen Fotos von besonderen Seltenheiten zu verlieben, die hier sonderzahl dokumentiert sind!
Wenn man insgesamt schätzungsweise 100 Ausstellungen und Messen (mit oder ohne eigenen Stand) besucht hat, so könnte man von den meisten davon irgendein haften gebliebenes Ereignis oder ein Zusammentreffen mit einem besonderen Kunden oder Kollegen erzählen. Über die Ausstellungen selber etwas zu sagen ist kein Problem, hingegen möchte ich (fast) keine Personen nennen. Es mag dies noch angehen, bei Kunden die längst verstorben sind und deren Familie die Sammlung unter Namensnennung verkauft hat. Bei heute noch lebenden Kunden möchte ich aber nicht in jedem Fall das Einverständnis der Ehefrau oder der Familie einholen müssen, dass sie mit einer Namensnennung des Kunden einverstanden sind. Und solange dies nicht geklärt ist, geht bei uns die Diskretion vor. Kommt noch dazu, dass ich nur ein paar wenige Erlebnisse erzählen möchte, die einem spontan in den Sinn kommen, wenn man den Namen einer besuchten Ausstellung hört. Mit anderen Worten: nur ein kleiner Bruchteil aller Erlebnisse oder aller Kunden, die man da getroffen hat, würden ganz zufällig erwähnt. Es könnte gut sein, dass dann «Reklamationen» von sehr guten Kunden und wirklich grossen Sammlern eingehen, die sich beklagen, hier nicht erwähnt worden zu sein!
Die Weltausstellung in San Francisco ist uns in bester Erinnerung geblieben. Wir waren am ersten Tag eben dem Taxi entstiegen, als vor dem Haupteingang unser lieber Kunde H. bereits auf uns wartete. Er hatte sein Portemonnaie vergessen und borgte von uns ein paar Dollar- Noten für den Tag! Mit Rolf P. Salinger aus Kassel hatten wir einen sehr guten Kenner für die Sehenswürdig- und die Verpflegungsmöglichkeiten dieser phantastischen Stadt. So lernten wir die Fisherman’s Warf von berufener Seite kennen. Seine Alt-Schweiz-Sammlung zeugte von grossem Sachverstand und galt damals als eine der grössten in Deutschland.
Die Weltausstellung in Madrid besuchte ich als reiner Tourist, also ohne eigenen Stand. Ich hatte dazu meinen Schwiegervater eingeladen. Zusammen warteten wir über eine Stunde in der brütenden Sonne bis die Tore endlich öffneten. Spanien als Veranstalter einer philatelistischen Ausstellung hatte den Vorzug, dass man dort immer auch Händler aus dem südamerikanischen Kontinent treffen konnte. Und bei solchen konnte man – mit etwas Glück – ohne weiteres unerwartete Stücke antreffen und erwerben. Einen solchen Händler suchte ich auf. Dieser offerierte mir eine Schachtel mit vielleicht 100 Belegen mit Schweizer Marken. In aller Ruhe sah ich mir Brief um Brief an. Hinter mir hatte ich sofort einen Kollegen aus Paris, der sich offensichtlich für diesen Posten auch interessierte. Beim Über-die-Schulter-blicken muss er sofort eine Vorderseite entdeckt haben. Wahrscheinlich in der Hoffnung, dass ich deren Wert selber nicht erkannt hätte, fragte er mich, ob er den Posten selber auch ansehen könne. Ich bat um etwas Geduld, bis ich damit fertig wäre. Selber hatte ich sofort gesehen, was der Verkäufer offenbar selber nicht erkannt hatte: es handelte sich um eine Mischfrankatur einer Rayon zusammen mit einer Strubel-Marke! Der ganze Rest dieses Postens war nicht der Rede wert. Aber das spielte keine Rolle mehr. Natürlich kaufte ich den Posten, zum Leidwesen meines Pariser Kollegen. Wenn ich nicht irre, war es auch an dieser Ausstellung, wo mein Kollege Swoboda in einem Bündel von weit über 100 3-Franken stehenden Helvetia nicht weniger als 3 Nummern 72F gefunden hatte! Sie stammten wohl aus Frankaturen von Uhrensendungen nach Südamerika und trugen meist den Stempel von La Chaux-de-Fonds.
In früheren Jahren war es üblich, dass zu ausländischen Weltausstellungen in der Regel auch Reisen von Sammlervereinen organisiert worden sind. Meist zusammen mit meiner Frau schlossen wir uns solchen Reisen ab und zu an, weil wir nur als Touristen und ohne eigenen Stand die Ausstellung besuchen wollten. Rio de Janeiro ist mir in Erinnerung geblieben. Nicht nur, aber auch wegen der Copacabana, dem herrlichen Stand mit den verzierten Mosaiken auf der Strandpromenade. Hin und zurück sind dies rund zehn Kilometer. Auch wenn ich die Zeit nicht gestoppt hatte, aber diese Paradestrecke unter dem Zuckerhut wollte ich unbedingt einmal rennen. Nachher ist das Bad im Meer umso erfrischender. Und dabei kommt mir zwangsläufig W.G. in Erinnerung. Für seine phantastische Sammlung von Stempeln aus dem Entlebuch fand er an der Ausstellung wahrscheinlich kaum Ergänzungen. Aber Erlebnisse dafür noch und noch! So gönnte er sich in der Sommerhitze ein Bad im Meer und deponierte – ausser seiner Badehose und Strandsandalen – die Kleider inmitten der zahllosen Badenden am sandigen Strand. Bei der Rückkehr war dieses Bündel aber verschwunden! Glücklicherweise fand sich wenige Schritte hinter dem Strand ein Schuhgeschäft. Dort besorgte er sich ein paar neue Schuhe, damit er damit sein Hotel aufsuchen konnte. Der Verkäuferin sagte er, dass er die anprobierten neuen Schuhe anbehalten wolle und dass sie ihm die Strandschuhe in die Schachtel packen könne. In den zwanzig Sekunden, in welchen er in einem kleinen Täschchen an der Badehose den immer mitgenommenen «Notgroschen» herausklaubte, war die Schachtel mit den eingepackten Strandschuhen vom Laufband schon wieder verschwunden! Unsere kleine Touristengruppe umfasste elf Leute. Von diesen wurden neun (!) während dieser Reise insgesamt ausgeraubt! Und dies zu ganz verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten. Mir selber wurde auf einer Busfahrt mit einem Messer oder einer Rasierklinge hinten die Hose aufgeschlitzt. Das Portemonnaie fiel aber nicht heraus, weil es zusätzlich in einer eingenähten Stofftasche steckte! Die Hose hingegen war nicht mehr zu retten. Vor der Rückkehr ins Hotel musste ich mir zwangsläufig eine neue besorgen.
Eine anschliessende Rundreise führte uns von Rio zunächst nach Manaus. Der brasilianische Cruzeiro unterlag damals einer gewaltigen Abwertung, die meiner Erinnerung nach jeden Tag ein oder einige Prozente betragen konnte. Damit nicht alle Leute auf einen Schlag ihr ganzes Vermögen in US-Dollars umwechselten, erlaubte man nur einmal in der Woche die Umwechslung einer kleinen Summe, die den Lebensunterhalt für eine Woche ermöglichen sollte. Für uns Schweizer war es ein ungewohntes Bild, dass man an diesem «Wechseltag» schon Stunden vor der Schalteröffnung der Bank eine riesige Schlange (mehr als 100 Meter lang!) von Leuten geduldig warten sah, bis sie wieder etwas Geld wechseln konnten. Einen besseren Anschauungsunterricht, was eine stabile Währung in einem ebenso stabilen Land wie der Schweiz einem wert sein sollte, habe ich nie mehr erhalten.
Nicht nur die Oper, sondern auch der Zusammenfluss des Rio Negro und des Amazonas sind tief beeindruckend. Während Kilometern fliessen die beiden Wasserströme, der schwarze Rio Negro und der braune Amazonas, sich nur ganz langsam vermischend nebeneinander. Und wenn man einen Ausflug den Amazonas hinauf unter kundiger Führung unternimmt, denkt man in dieser tropischen Wildnis sofort an den Film Fitzcarraldo von Werner Herzog. Dieser bietet einen sehr guten Eindruck in diesen tropischen Urwald und seiner Bewohner.
Die Weltausstellung in Washington können wir unmöglich «vergessen»! Wir hatten dort das erste Zusammentreffen mit dem wohl grössten Alt-Schweiz-Sammler Südamerikas. Er fand in unseren Beständen aussergewöhnliche Seltenheiten, welche sich bis heute in seiner Sammlung befinden und welche man nicht so leicht wieder findet auf dem Markt. Nicht unerwähnt lassen möchte ich den damals wohl grössten Käufer von klassischen Marken verschiedener Länder, aber vor allem auch von Alt-Schweiz, der in Paris wohnte. Er fragte nach den Kantonals, begann bei der Nummer eins und arbeitete sich durch sämtliche Alben. Dies lief ungefähr so ab: Nehme ich, nehme ich, nein zu teuer, nehme ich, vielleicht (müssen wir noch über den Preis reden), nehme ich, nehme ich, nein zu teuer. Sowas vergisst man nicht mehr. Der erhaltene Check war zum Glück gedeckt! Zudem durften wir den Käufer der legendären Sammlung Anderegg kennenlernen. Wir konnten damals nicht nur im Verkauf, sondern vor allem auch im Ankauf überaus erfreuliche Umsätze generieren, die später kaum noch zu toppen waren. Auf dieser Reise hat mich nicht nur meine Frau, sondern auch mein Sohn Markus und seine Frau Claudia begleitet. Zudem, die eben erst geborene Enkelin Soraya. Sie hat am Stand gespielt und geschlafen und am Abend jeweils die ganze Hotelbar unterhalten. Unbezahlbare Momente, die in Erinnerung bleiben!
Was die Umsätze betrifft, kommt wohl noch am ehesten die Helvetia Genève 90-Ausstellung an Washington ran. Eine der prominentesten Aussteller(innen) war Alma Lee aus London. Deren qualitativ sehr hochstehende Sammlung wurde auch von einem «neuen» Sammler aus der Genfer Gegend bewundert. Die zahlreichen Schweizer Kantonalmarken, vor allem die Zürich 4 haben ihn besonders animiert, Gleiches zu versuchen. Alle Typen der ersten Zürcher Kantonal-Marken, der senkrechten Zürich 4, durften wir ihm (nebst anderen Marken) liefern. Damals ergab sich das erste Zusammentreffen mit Josef Niederberger aus Stans. Immer in Begleitung seines Rucksackes war er eine auffällige Erscheinung. Über ihn und seine grosse Sachkenntnis könnte man ohne Mühe ein ganzes Buch schreiben! Indirekte Bekanntschaft mit ihm ergab sich anlässlich einer Corinphila-Auktion. Ich konnte in einer Typentafel der hellblauen Rayons in der Type 8 rechts oben unschwer einen der sehr seltenen Missglückten Steine ausmachen. Niederberger erkannte dies offensichtlich auch, wollte aber wegen dieser einen Type nicht die ganze 40er- Tafel kaufen. Er notierte sich im Saal meine Bieternummer und konnte bei Freunden meine Adresse ausfindig machen. So schrieb er mir, ihm fehle in einer Rekonstruktion noch die Type 8. Ich schrieb ihm, dass ich ihm ohne weiteres einige Typen 8 zur Ansicht zusenden könne, worauf er erwiderte, dass ihm jene aus der Corinphila-Tafel sehr gefallen hätte und dass er gerne diese von mir hätte! Als ich ihm dann telefonisch ins Gesicht sagte, dass er in diesem Falle wohl nicht nur eine normale Type 8 suche, sondern jene vom Missglückten Stein, war das Eis gebrochen. Von diesem Moment an waren und blieben wir bis zu seinem Tode gute Freunde.
Von der Lemanex-Ausstellung in Lausanne 1978 bleibt mir vor allem ein Ereignis in Erinnerung. Mein Freund Jack Luder und ich hatten das gleiche Hotel in Ouchy als Aufenthaltsort gewählt. Begleitet waren wir von unseren Frauen und im gossen Park hinter dem Hotel hatte es genügend Platz, wo wir unsere Autos parkieren konnten. Beim ersten gemeinsamen Morgenessen erschien Jack etwas ausser sich und fragte mich, ob ich wisse, wo sein Wagen wäre. Dieser war ganz einfach verschwunden. Dabei hatte er ihn erst vor ganz wenigen Wochen nagelneu erhalten! Mit den folgenden Anzeigen bei der Polizei und der Mietung eines Ersatzwagens war seine Morgenbeschäftigung gegeben. Aber nach zwei Tagen erhielt er die Mitteilung, dass die Polizei seinen Waren in Rotterdam gefunden habe. Dort war man eben dabei, ihn auf ein Frachtschiff zu verladen. Ich bin nicht mehr sicher, ob dieses nach Afrika oder Südamerika auszulaufen im Begriffe war.
Zu Ehren der Naba Züri 1984 in den Züspahallen in Oerlikon konnten wir die Firma Sprüngli gewinnen, für uns die Zürich 4 und Zürich 6 in Form von Schokoladen-Pralinen zu fabrizieren. Diese Sonderanfertigung hielt die Firma noch einige weitere Jahre im Sortiment.
Basel hatte das Glück – oder die Ehre – gleich zweimal nacheinander eine bedeutende Briefmarken- Ausstellung veranstalten zu dürfen. Erst die Nationale Ausstellung 1971 und anschliessend dann die Internationale Ausstellung 1974. Beide waren hervorragend organisiert und auch der geschäftliche Erfolg blieb nicht aus.
Auf uns wartet nun ein weiteres, grosses Highlight, die Bernaba. Vom 14. – 17.05.2025 findet in Bern eine Multilaterale Ausstellung zum 175-Jahre-Jubiläum der Bundesbriefmarken statt.
Organisiert wird dieser, für uns wichtigste Anlass, professionell durch Jean-Pierre Senn und sein Team. Sie können sich auf eine ganz hervorragend bestückte Ausstellung freuen. Inmitten vom wunderschönen Bern, wird sich alles, was Rang und Namen hat in der Philatelie, im Mai 2025 treffen und es werden herausragende Sammlungen zu bewundern sein. Auch was sonst noch alles rund um die Ausstellung geplant wird, ist beeindruckend. Informieren Sie sich auf der offiziellen Website https://www.bernaba25.ch/ und reservieren Sie sich unbedingt ein paar Tage im nächsten Mai für philatelistische Leckerbissen, wie wir sie nur selten in der Schweiz zu sehen bekommen!
Was wird uns die Zukunft bringen? Ich bin heilfroh, seit jeher immer nur die aktuelle und die von mir erwartete Zukunft des Alt-Schweiz-Marktes darzulegen. Und nicht jene der Ausgaben des 20. Jahrhunderts der Schweiz. Wir leben nicht in einer wirtschaftlich sehr einfachen Zeit! In Europa gibt es etwelche Probleme. Vor allem fällt dies im für uns sehr wichtigen Markt, in Deutschland, auf. Dort scheint Sand im Getriebe zu sein und die widerwillig zusammengesetzte Regierungskoalition müht sich ab, die Periode bis zu den nächsten gesamtdeutschen Wahlen noch zu überstehen. Ich habe ernsthafte Zweifel, ob dies gelingen wird! In allen westeuropäischen Ländern tut man sich schwer mit der weiteren Unterstützung der von Russland überfallenen Ukraine. Das Geld für den Unterhalt der eigenen Armee fehlt, geschweige denn für Neuanschaffungen oder geschenkweise Überlassungen an die Ukraine. Dies vor allem, weil man jahrelang einen neuen Krieg in Europa für unmöglich gehalten hat. Das weitere Schuldenmachen bedeutet einfach, dass man die Kosten auf die nächste Generation verschiebt. Wenn die Inflation wieder anzieht und die Zinsen steigen, wird die kommende Generation ernsthafte Probleme bekommen.
In der Schweiz spüren wir auch eine konjunkturelle Zurückhaltung. Der Export mit westlichen Ländern ist teilweise gedämpft. Folge: es besteht keine Eile für Neu-Investitionen. Mit Asien sieht es teilweise etwas besser aus. Aber dort türmen sich politische Wolken am Himmel auf!
Wenn man die Drohungen Chinas gegenüber Taiwan ansieht oder die Raketentests von Nordkorea und wie beide Diktatoren sich an jenen in Russland anbiedern, so fragt man sich in echter Sorge, wie lange diese Machtspiele noch andauern können, bis einem dieser Machtmenschen die Sicherung durchbrennt.
Lassen Sie mich ein paar Punkte erwähnen, warum ich die Aussichten für die Schweiz und damit im Zusammenhang auch für die klassischen Schweizer Marken dennoch für besser halte, als für praktisch alle andern Länder Europas bezüglich einer alternativen Kapitalanlage in klassischen Schweizer Briefmarken:
- Die Schweiz hat nicht nur ein hohes Preisniveau, sondern nach wie vor sehr hohe Löhne. Das trifft für die mittlere und hohe Einkommensklasse zu, nicht für die unterste, die aber weniger gross ist als in den meisten anderen Ländern. Die Gutverdienenden sind nach wie vor bereit, die Mittel auch auszugeben.
- Anlagen in Wertschriften sind derzeit nicht ganz risikolos. Wenn die Wirtschaft weltweit noch grössere Probleme erhalten sollte, so würden die Aktienmärkte eher nur eine Richtung kennen: jene nach unten. Deshalb bleiben allenfalls alternative Anlagen. Viele leisten sich Gemälde, Schmuck oder Anlagen in Gold. Aber auch die klassischen Briefmarken bleiben durchaus ein Thema. Immobilien an guten Lagen in der Schweiz sind (zu) teuer und kaum noch zu finden. Bei Gold hingegen ist der Preis sehr hoch gestiegen, sodass man sich fragen muss, ob dies noch weiter gehen wird. Wenn Sie das Verhältnis eines Kilogramms Gold mit dem Preis eines schönen Basler Tauben-Briefes heute und vor einigen Jahren vergleichen, so sind Sie sicher einig mit meiner Feststellung, dass die Alt-Schweiz-Briefmarken mit ihrem gehaltenen Preisniveau heute preiswert und vermehrt eine Überlegung wert sind,
- Wir haben in der Schweiz eine relativ niedrige Inflationsrate, die niedriger liegt als jene in Europa oder den USA. Ebenso ist die Arbeitslosenrate niedriger als in unseren europäischen Partnerländern oder in den USA. Das wird diese Wohlstandsschere auch künftig noch weiter öffnen.
- Die Staatsverschuldung in der Schweiz ist im Gegensatz zu den obigen Ländern in den letzten Jahren gesunken und kann als gesund bezeichnet werden. Unsere Nationalbank lässt sich gottlob nicht von der Politik beeinflussen.
- Unsere Neutralitätspolitik hat sicher auch einen Anteil an unserem Wohlstand. Dennoch scheint sie mir etwas zu starr ausgelegt zu werden heute und müsste den aktuellen politischen Verhältnissen etwas angepasst werden. Ohne sie damit aber aufzugeben!
- Die «Wohlstandsschere» zwischen der Schweiz und unseren wichtigsten Abnahmeländern, also zwischen dem CHF und dem US-$ und dem Euro wird sich aus diesen Gründen wohl auch künftig weiter öffnen. Der $ wie auch der Euro haben sich Jahr für Jahr um einige Prozente gegenüber dem CHF abgewertet und dies dürfte aus oben erwähnten Gründen weiter so bleiben. Wenn Sie also in den starken Schweizer Franken investieren durch den Kauf von Alt-Schweiz-Marken, verdienen Sie normalerweise Jahr für Jahr automatisch schon an der Aufwertung des CHF!
- Dennoch: Kaufen Sie nur, was Ihnen selber gefällt und bei einem Lieferanten, den Sie für zuverlässig und ehrlich halten und dessen Ware Atteste von einem anerkannten Prüfer beinhaltet.
- Es gibt immer Gebiete in der Philatelie, die preislich schwanken. Weniger aus konjunkturellen Gründen. Aber wenn in kurzer Zeit etliche Sammler eines stark besammelten Gebietes entweder aus Altersgründen als Käufer ausscheiden oder aber gar verstorben sind, so dauert es meist eine Weile, bis neue Sammler diese Kaufgelegenheiten erkannt haben und selbst eingestiegen sind. Es zahlt sich aus, nach einem solchermassen erklärbaren Einbruch in ein Gebiet einzusteigen und nicht dann, wenn «alle Welt» danach sucht und die Preise unerschwinglich werden. Wir informieren Sie gerne über solche Gelegenheiten.
Es ist noch etwas früh für einen Jahresrückblick. Erst in ein paar Tagen werden wir den neuen Präsidenten oder die erste weibliche Präsidentin der USA kennen. Möglich aber, dass die Wahl – längerfristig – gar keinen grossen Einfluss auf die Konjunktur in Europa und der Schweiz haben wird. Und wenn Sie den Eindruck haben, dass meine obigen Pluspunkte für zuversichtliche Einschätzungen für unsere klassischen Schweizer Marken sich eigentlich kaum von jenen der vergangenen paar Jahre unterscheiden, dann liegen Sie damit vollkommen richtig! Denn die Aussichten haben sich gegenüber den letzten Jahren auch kaum verändert! Das sehen Sie sofort, wenn Sie meine Meinungen in den letzten paar Jahren zur Hand nehmen. Haben sich die Aussichten nicht gross verändert, hat man auch keinen Grund, eine andere Einschätzung zu haben.
Auch mein letzter Punkt hat sich nicht geändert. Er betrifft meinen ausdrücklichen, herzlichen Dank an Sie, verehrte Kundinnen und Kunden, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sie mit Ihren wiederholten Käufen zu unserem Geschäftsgang auch in diesem Jahr beigetragen haben. Mein Sohn und ich werden uns mit unseren familiären Mithelfern auch im kommenden Jahr bemühen, Ihren philatelistischen Wünschen nachzukommen. Freuen Sie sich auf den Rückblick im nächsten Jahr, denn diesen wird mein Sohn verfassen! Er hat zwar schon lange an diesen Rückblicken mitgearbeitet. Dem Echo nach waren seine Geschichten über «Pfüpf», unsere Hauskatze, der meist beachtete Punkt in meinen Jahresendbetrachtungen!
Wir wünschen Ihnen auch im kommenden Jahr viel Freude mit Ihrem Hobby und vor allem eine gute Gesundheit. Und – so Gott will – keine Gewitterwolken am politischen Horizont!
Schmerikon, 5.11.2024 Gottfried Honegger